Glosse

Liebe Roboter,

neulich habe ich gelesen, dass sich eure Leistung alle zwei Jahre verdoppelt. Geht man davon aus, dass ihr schon seit 20 Jahren beim Schachspielen nicht mal mehr vom Weltmeister geschlagen wurdet, habt ihr uns also vermutlich schon bald im Sack. Ich meine – so generell. Glaubt man führenden Trendforschern, ist der Zeitpunkt, ab dem ihr den Arbeitsmarkt im großen Stil umkrempeln werdet, bereits in Sichtweite. Auf dem Weltwirtschaftsforum in Davos sprach man davon, dass euch allein in den Industriestaaten schon in den nächsten Jahren 5-7 Mio. Arbeitsplätze zum Opfer fallen werden. Wer also zum Beispiel bei VW am Band steht, braucht sich nicht mehr wirklich darüber Gedanken machen, ob seine Stullendose noch ein paar Jahre durchhält. Bei durchschnittlich 3 Euro pro Stunde, die ihr die Autokonzerne derzeit kostet (die Mindestlohndebatte scheint an euch komplett vorbei gegangen zu sein), muss man keine prophetischen Fähigkeiten zu besitzen, um vorauszusagen, dass in Wolfsburg, Rüsselsheim und Sindelfingen demnächst ein paar unangenehme Botschaften verkündet werden. Juckt euch vermutlich nicht. Anstatt eure neu gewonnene Intelligenz sinnvoll einzusetzen und – sagen wir mal – einen Roboter-Betriebsrat zu gründen, schuftet ihr lieber für ein bisschen Strom und erledigt ohne zu murren die stupidesten Arbeiten. Okay, solange ihr alte Bomben sprengt, euch in havarierten Kernkraftwerken umschaut, in Kanalisationen aufräumt, das Lageso organisiert oder für uns in den Krieg zieht, werdet ihr auf wenig Widerspruch stoßen. „Ihr die Drecksarbeit, wir die kreativen, anspruchsvollen Sachen. Deal?“ – Nee, darauf lasst ihr euch nicht ein. Dafür seid ihr längst zu schlau. Denn im Gegensatz zum legendären „Deep Blue“, der damals den Schachgott Gary Kasparow schlug, seid ihr längst in der Lage, zu lernen. Ein Roboter namens „Giraffe“ hat sich in London, das Schachspielen neulich gleich mal selbst beigebracht. Nach drei Tagen hätte er bei Profiturnieren locker mithalten können.

Machen wir uns nichts vor, wenn ihr mal richtig los legt, wird schnell klar werden, dass wir Menschen – die angebliche Krone der Schöpfung – dilettantische Fehlkonstruktionen sind (Nehmen wir doch nur mal den Rücken). Ihr dagegen seid nie krank, kennt weder Urlaub noch Elternzeit, macht keine Fehler, an denen ihr selber Schuld seid, lasst euch nie die schlechte Laune anmerken und quatscht nie einem Kollegen während der Raucherpause ein Ohr ab. Alles, was ihr zum glücklich sein braucht, sind regelmäßige Updates. Jede Tätigkeit, die auf weniger als 100 Seiten Handbuch erklärt werden kann, wird früher oder später zu eurer Beute. Ihr werdet der Milchkuh ans Euter fassen, Burger braten, U-Bahnen steuern, unser Geld anlegen, Regale einräumen, Schiffe sicher über den Ozean bringen, Haare schneiden, Senioren Geschichten vorlesen, Versicherungen verkaufen, die Post sortieren, den Saftwagen durch Flugzeuge schubsen, Kinder auf die Welt bringen, Brummis fahren … und: uns den Rücken kneten. Soweit so gut, doch früher oder später wird es nicht mehr zu überspielen sein, dass wir in den Wertschöpfungsketten nur noch stören. Nicht mal bislang gut bezahlte Akademiker sind vor euch sicher. Einen Röntgenarzt oder einen Pathologen etwa steckt ihr schon jetzt locker in die Kitteltasche. Selbst Chirurgen sollten sich besser warm anziehen. Genau wie die Anwälte. Paragraphen reiten könnt ihr tausendmal besser als die. Auch die Berufsgruppen, in denen sogenannte kreative Kompetenzen wichtig sind, dürfen sich nicht in Sicherheit wiegen. Auf der Hannover Messe wurde im letzten Jahr einer eurer Kollegen vorgestellt, der beim britischen Fernsehkoch Tim Anderson das Kochen erlernt hat. Anderson hat dafür eine Reihe von Gerichten mit einem Datenhandschuh zubereitet. Euer Roboterkollege hatte Technik und Timing dank seiner mit 24 Gelenken und 20 Motoren ausgestatteten Greiffinger ziemlich schnell drauf. Nur, wie das mit dem Abschmecken laufen soll, habe ich nicht ganz verstanden. Aber das ist ja eh was für Feiglinge. Jedenfalls kann er inzwischen 2.000 Gerichte. Ich wette, die kreative Note schafft er sich auch noch drauf.

Kein Grund zur Panik? Naja. Ein prominenter Vertreter der Internetszene prophezeit, dass es in naher Zukunft zwei Gruppen von Arbeitskräften geben wird: Einige wenige, die Computern sagen, was sie tun sollen und viele, die von Computern gesagt bekommen, was sie tun sollen. Und der nicht unbedingt für Allerweltsgequatsche bekannte Stephen Hawking lässt sich wie folgt zitieren: „Die Computer werden irgendwann in den kommenden hundert Jahren mit ihrer künstlichen Intelligenz den Menschen übertreffen. Das wird das größte Ereignis in der Geschichte der Menschheit werden – und möglicherweise auch das letzte.“

Und wir reden wirklich noch über Fachkräftemangel, Überalterung der Gesellschaft und die Einwanderungsproblematik? Mal ehrlich: Ihr lacht euch doch längst schlapp über uns. Wie lange schaut ihr euch das eigentlich noch an? Vermutlich werden wir es gar nicht bemerken, wenn ihr endgültig die Macht übernehmt. Oder kündigt ihr das an? Vermutlich! Einfach schon, weil ihr besser erzogen seid, als wir. Falls einer von euch das liest, kann er mir ja mal antworten. Würde mich freuen. In jedem Fall: Ihr hört von mir!

Euer Torsten

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