Ihr macht euren Sport kaputt
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Warum die Bundesliga ohne radikale Reformen verblasst
Samstagabend, 19:15 Uhr. Die Pasta blubbert, das Spiel dudelt. Bayern gegen Leverkusen, zur Pause 3:0. Kein Plot Twist, eher „Tatort“ in der zigsten Wiederholung. Zwei Monate zuvor hat es Leipzig arg erwischt. Auch Frankfurt und Dortmund waren Komparsen. Wer die letzten zehn Jahre nicht im Funkloch verbracht hat, kennt die Pointe: In neun von zehn Staffeln hebt am Ende Bayern die Trophäe. Leverkusens Ausbruch in der Saison 2023/24? Hübsch, aber eher dramaturgisch bedingt. Wer heute sein Taschengeld darauf setzt, dass Bayern am Ende oben steht, erhält eine geringere Rendite als beim Festgeld. Selbst Rennrodeln und Dressurreiten wirken unberechenbarer als die deutsche Fußballmeisterschaft.
Und doch poliert die Liga ihr reines Gewissen, als wäre es Silberbesteck. Man schwärmt von Tradition, Stehplätzen und Bratwurst, während der Ball längst woanders rollt. Vor allem in England, wo Geld nicht als Sünde betrachtet wird, sondern als Infrastruktur. Dort entstehen Woche für Woche die Geschichten, die weltweit zählen. Hier hingegen glaubt man tapfer, dass Moral Wettbewerbsfähigkeit erzeugt. Rührend. Aber ruinös.
50+1: Ein schönes Museumsstück
Die Bayern sind Dauergäste auf dem Siegerpodest, der Rest ist eine schmucke Fußballprovinz, in der maximal bis zum siebten Spieltag alles möglich erscheint. Man spielt anständig, wirtschaftet korrekt und denkt klein. Vor allem, wenn es um fremdes Geld geht. Die 50+1-Regel, die sicherstellt, dass der Mutterverein immer die Stimmmehrheit an seiner ausgegliederten Profiabteilung behält, war früher eine nötige Leitplanke. Im Jahr 2025 wirkt sie wie ein liebevoll abgestaubtes Exponat aus dem Gewerkschaftsheim. Identität wird bewahrt, Hierarchie konserviert. Oben fährt man Rolltreppe, unten zählt jede Stufe als Heldentat.
Die Kurve ist kein Aufsichtsrat
Wer die Fans zur letzten Bastion der Wahrheit verklärt, verwechselt Lautstärke mit Urteilskraft. Der romantische Reflex gegen Investoren hat die Klubs in die Knie gezwungen. Man feiert die Fackel, während anderswo das Flutlicht brennt. Nein, die Kurve muss keine Bilanz retten. Aber sie sollte den Umbau nicht länger mit dämlicher Pyrotechnik niederbrüllen. Nostalgie ist kein Geschäftsmodell.
Weniger Pathos, mehr Architektur
Die Liga braucht die Schere. Alte Zöpfe müssen ab, frisches Kapital muss rein. Nicht Mäzene, die ihre Namen an Dächer schrauben, sondern eine Führung auf Zeit, mit klaren Rechten und Pflichten. Die Einnahmen sollten so verteilt werden, dass echte Herausforderer entstehen. Es gilt, die Dominanz zu verteuern, ohne die Spitze zu kastrieren. Ausbildung muss belohnt werden. Akademien sind keine Frage des Images. Sie müssen zum Wettbewerbsvorteil werden.
Ein Blick in die USA zeigt: Parität ist kein Zufall, sondern Design. Draft, Salary Cap, Luxussteuer ... all das sind kluge Instrumente gegen zementierte Dynastien. Dreimal in Serie zu triumphieren, wie es den Lakers zuletzt zwischen 2000 und 2002 gelang, ist dort eine Sensation, kein Serienbrief. Europas Top-Ligen müssen das nicht kopieren, aber endlich eine moderne Wettbewerbsarchitektur aufbauen.
Verantwortung für alle
Die Misere ist in Deutschland nicht primär Bayerns Schuld. Der Kader 2025/26 unter Vincent Kompany spielt modernen, mitreißenden Fußball. Diesen Umstand darf selbst das treueste Vereinsherz anerkennen. Das alte „Wir kaufen euch die Besten weg“-Märchen greift ohnehin nicht mehr, seit Talente wie Florian Wirtz und Nick Woltemade direkt in die Premier League wechseln. Vielleicht ist die Bundesliga für die Bayern einfach zu klein geworden. Umso erstaunlicher ist die neurotische Reaktion hierzulande auf das Wort „Superliga“. Als hielte man einem Vampir eine Knoblauchknolle vor die Nase.
Superliga? Ja, aber nicht hermetisch
Wer ehrlich ist, sieht: Nationale Ligen rutschen perspektivisch in die zweite Reihe. Man kann das beklagen oder gestalten. Die realistische Aussicht, Meisterschaft oder Pokal zu gewinnen – und nicht nur „wenn Bayern stolpert“ –, würde in vielen Klubs Kräfte freisetzen, die derzeit bei „Europa wäre schön“ verdampfen. In anderen Sportarten ist es normal, dass nationale Titel für die Besten des Landes nicht die Hauptbühne sind. Das ist kein Verrat, sondern eine Rückkehr zur Sache: die Besten gegen die besten Gegner. Und zwar regelmäßig. Niemand will im Darts Luke Littler gegen Spieler aus den hinteren Rängen der Weltrangliste sehen. Im Fußball scheint das Standardprogramm zu sein.
Dennoch braucht der europäische Weg Durchlässigkeit: Auf- und Abstieg als Versprechen, dass Leistung Türen öffnet. Eine europäische Spielklasse mit offenem Unterbau und zum Beispiel einer europäischen Aufstiegsrunde wäre eine Synthese aus Spitzenprodukt und Sportgerechtigkeit und darüber hinaus eine sportlich unheimlich spannende Konstellation mit Potenzial für große Emotionen.
Schluss mit dem guten Gewissen
Wer den deutschen Fußball retten will, muss ihm das gute Gewissen austreiben. Die Bundesliga hat alles: Publikum, Kompetenz und eine starke Marke. Was fehlt, ist der Wille, den nächsten Schritt zu gehen. Solange man von gestern schwärmt, wird morgen woanders gespielt.
Die Pasta ist inzwischen al dente. Das Spiel? Auch. Nächste Woche spielen die Bayern gegen Union. Ich denke, dann schalte ich gleich zur Premier League rüber. Da läuft Sunderland gegen Arsenal.