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Hier brummt es

Drohnen kopieren die Flugtechnik von Hautflüglern. Die Energiewirtschaft setzt die Geräte immer öfter für Kontroll- und Wartungseinsätze ein. Das spart jede Menge Geld.

Anlagen der Energiewirtschaft unterliegen strengen Vorschriften. Sie müssen regelmäßig gewartet und kontrolliert werden. Im Allgemeinen ist der Aufwand dafür groß. Häufig ist der Einsatz von Industriekletterern notwendig, um hoch gelegene oder schwer zugängliche Stellen zu erreichen. Zur Inspektion müssen die Anlagen zudem meist abgeschaltet werden. Inzwischen geht es jedoch auch wirtschaftlicher:

Immer öfter erledigen Drohnen und Multicopter die Kontrolle aus der Luft und in wesentlich kürzerer Zeit. Sie sammeln umfassendes Bildmaterial für eine anschließende Auswertung und Dokumentation.

Bei der Wartung und Inspektion von Strommasten, Überland- und Freilandleitungen bieten Drohnen enorme Vorteile. An Stelle von Inspekteuren, die mit Klettergurt gesichert die Anlagen kontrollieren, oder Hubschraubern, aus denen die Aufnahmen gemacht werden, übernehmen die vom Boden aus gesteuerten Flugroboter den Job. Ihr Einsatz ist praktisch zu jeder Jahreszeit möglich.

Für Wartungsbetriebe und Betreiber amortisiert er sich innerhalb kürzester Zeit. Ein Strommast ist damit binnen Minuten inspiziert, die Ergebnisse sind perfekt dokumentiert. Ausgestattet mit Spiegelreflexkamera, Wärmebildkamera oder Laserscanner können hochaufgelöste Fotos oder Wärmebilder aufgenommen werden. Nicht nur oberflächliche, sondern auch innere Schäden lassen sich mittels Drohne risikolos entdecken.

Ob winzige Risse oder Materialprobleme, beschädigte Kontakte oder überhitzte Verbindungen – die Kamera zeigt, was aus der Ferne nur schwer oder gar nicht zu erkennen ist. „Das ist wie ein EKG für Anlagen“, sagte einmal der damalige RWE-Deutschland-Chef Arndt Neuhaus. Der Energieversorgungskonzern setzt seit einigen Jahren erfolgreich Drohnen ein – ebenso wie seine deutsche Tochter Innogy, der russische Öl- und Gasförderer Tomskneft oder etwa der amerikanischen Halbleiterhersteller Intel Corporation.

DROHNENEINSÄTZE STEIGEN

Mit dem rasanten Ausbau der erneuerbaren Energien – der steigenden Stromproduktion in Solarparks und Windkraftanlagen –wächst der Bedarf an Inspektionen per Drohnen in hohem Tempo. Das Energieunternehmen Innogy aus Essen will daraus ein eigenes Geschäftsfeld entwickeln und hat sein Startup Ucair dafür mit einer Investitionsspritze von rund einer Million Euro ausgestattet. „Wir wollen unsere Erfahrung beim Drohneneinsatz nicht nur für das eigene Unternehmen nutzen, sondern uns auch für Drittanbieter öffnen“, sagt Innogy-Pressesprecher Thomas Breuer.

Ucair vermittelt die Inspektionsleistung, ohne selbst eine Drohne zu besitzen. Das Unternehmen nutzt ein Netzwerk von Drohnenpiloten in ganz Deutschland und vermittelt sie über die eigene Plattform. Dabei hat Ucair besonders das Potenzial bei Solaranlagen im Blick. Laut unternehmenseigenen Schätzungen weisen mehr als 80 Prozent der in Deutschland installierten Photovoltaikanlagen Mängel auf oder sind verschmutzt.

Schon der Ausfall einer einzigen Diode führt bei einer 30-kW-Anlage zu einem jährlichen Ertragsverlust von mehr als hundert Euro. Aus der Luft aufgenommene Thermografieaufnahmen können das verhindern. Sie zeigen selbst kleinere Schwachstellen frühzeitig auf. Auch bei der Inspektion von Windenergieanlagen liegen die Vorteile auf der Hand. Zwischen drei und vier Stunden braucht ein Industriekletterer pro Windrad. Eine Drohne erledigt die Arbeit in etwa einer Stunde. Die Stillstandzeiten werden auf diese Weise erheblich verkürzt.

Selbst bei einer Windgeschwindigkeit von 12 Metern pro Sekunde liefern die „fliegenden Augen“ noch gestochen scharfe Aufnahmen. Innogy schickt seine Drohnen seit Anfang 2017 im Windpark Nordsee Ost vor Helgoland sogar Offshore auf Inspektionstour. Die abschließende Bewertung dieser Test steht derzeit noch aus. Das gewonnene Bildmaterial ermöglicht es, Abnutzungserscheinungen an der Windenergieanlage im Detail zu inspizieren, zu vermessen und zu dokumentieren.

Ganz ohne die unmittelbare Begutachtung durch Servicetechniker läuft die Wartung derzeit allerdings noch nicht. Die Availon GmbH aus Rheine arbeitet aber bereits an autonomen Kontrollflügen. „Unser Ziel ist es, zukünftig die komplette Rotorblattinspektion von Drohnen durchführen zu lassen“, erklärt Projektmanager Marcel Bruins. Das deckt sich mit der Auffassung von Lukas Kremkau vom Meerbuscher Drohnendienstleister Spectair. „In einigen Jahren werden autonome Drohnen selber rausfliegen und die Anlagen mit Radar, Ultraschall-Techniken und 3-D-Erkennung in Echtzeit inspizieren“, blickt der Drohnenspezialist in die Zukunft.

BIS ZU 80 PROZENT GÜNSTIGER

Besonders deutlich bemerkbar macht sich die Kostenersparnis durch den Drohneneinsatz bei der Wartung von Ölbohrinseln. Bis dato mussten die Plattformen über Tage stillgelegt werden, bis die Rohre abgekühlt waren und Ingenieure sie untersuchen konnten. „Bei einer ferngesteuerten Wartung per Drohne liegt das Einsparpotenzial auf einer Bohrinsel im Vergleich zur herkömmlichen Wartung mit

Baugerüsten bei etwa 80 Prozent“, sagt Matthias Beldzik, Senior Business Development Manager, Intel Corporation. Das Unternehmen hat vor Kurzem den bayerischen Multirotor-Drohnen-Spezialist Ascending Technologies gekauft und ist damit auch in der Öl-, Gas- und Energiewirtschaft stark vertreten. Aber auch bei der Pipeline-Inspektion übernehmen Flugdrohnen immer öfter die Arbeit. In Russland nutzt zum Beispiel die Firma Tomskneft, ein Joint Venture von Rosneft und Gazprom Neft, seit 2015 Drohnen für die Überwachung ihrer mehr als 5.000 Kilometer langen

Gas-und Ölpipelines. Die Drohnen bleiben im Durchschnitt etwa zweieinhalb Stunden in der Luft und legen dabei mehr als 150 Kilometer zurück. Sie sind mit Antenne, Kameras sowie einem Infrarot-Bildgerät ausgestattet und werden von einer Bodenstation ferngesteuert oder im Automatikbetrieb betrieben. Auch härteste klimatische Bedingungen können ihnen nichts anhaben. Sie funktionieren ebenso bei einer Temperatur von 30 Grad minus wie im heißesten Sommer bei weit mehr als 30 Grad plus. Noch weiter fortgeschritten sind die Entwicklungen des kanadischen Drohnenherstellers SkyX aus Toronto. Deren Drohnen fliegen während der Patrouillen selbstständig Ladestationen an. In wettergeschützten Kuppeln tanken sie neue Energie, um anschließend ihre Arbeit fortzusetzen.

REGELWUT BLOCKIERT EINSATZ

Der Wille, mehr Drohen bei der Inspektion von Energieanlagen in Deutschland einzusetzen, ist groß, die gesetzlichen Regelungen allerdings gleichen einem Labyrinth und dämpfen die Euphorie. Teilweise unterscheiden sich die Vorgaben für den Einsatz sogar zwischen den Bundesländern. „Es mangelt an klaren Regularien – angefangen vom Erwerb des Befähigungsnachweises bis hin zur Erteilung einer Aufstiegserlaubnis“, kritisiert der TÜV NORD. Daran hat auch die im April 2017 in Kraft getretene Drohnenverordnung nicht viel geändert. Gewerbliche Flüge mit Drohnen müssen bei der Polizei oder den jeweiligen Ordnungsämtern angemeldet werden. Werden Flughöhen von mehr als 100 Meter überschritten, sind zusätzliche Genehmigungen nötig. Zudem dürfen die Drohnen nur auf Sicht fliegen, was problematisch ist, wenn sie zum Beispiel kurz hinter einer Windenergieanlage verschwinden. Ab Oktober 2017 müssen Drohnen mit Namen und Adresse des Eigentümers gekennzeichnet sein. Ab zwei Kilogramm Fluggewicht muss außerdem ein Befähigungsnachweis vorliegen – als gültige Pilotenlizenz oder Bescheinigung einer vom Luftfahrt-Bundesamt anerkannten Stelle. Fakt ist, die flinken Flugroboter gehören derzeit zu den innovativsten Techniken, und weitere Einsatzmöglichkeiten könnten sich für Energiewirtschaft und Industrie lohnen.

 

Dieser Text erschien im Magazin "Gaswinner" 3/2017, Agentur: C3, Berlin

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