Ein Orchester für alle
Vor drei Jahren kehrte das Deutsche Filmorchester aus dem Berliner „Exil“ auf das Studiogelände in Babelsberg zurück. Seitdem ist es aus der brandenburgischen Medienlandschaft nicht mehr wegzudenken.
Klaus-Peter Beyer kennt das: Jeder Gast, dem der Intendant des Filmorchesters die heiligen Hallen des Tonstudios öffnet, beginnt zunächst andächtig zu flüstern. Die hohen Decken verleihen dem riesigen Raum etwas Sakrales. Dabei darf es hier drin gern ein wenig lauter zugehen. Unzählige Filme vertonten UFA und DEFA bereits in dieser Klangkathedrale. 2007 wurde das „Wohnzimmer des Orchesters“ komplett saniert und auf den neuesten Stand der Technik gebracht. Bis dahin hatten die Aufnahmen jahrelang in Berlin stattgefunden.
Inzwischen scheint es so, als wäre das Filmorchester nie weg gewesen. Pop- und Rockmusiker stehen Schlange, um gemeinsam mit den Babelsbergern zu spielen. Peter Fox stürmte mit ihnen sogar die Charts. Crossover-Produktionen wie diese gehören neben sinfonischen Konzerten oder der Aufführung von Stummfilmklassikern mit live eingespielter Originalmusik schon lange zum Programm. Als Filmmusiker sind es die Ensemblemitglieder gewohnt, flexibel zu sein, und immer wieder auf neue Stilrichtungen einzugehen. Neben der klassischen Besetzung verfügt das Orchester deshalb auch über zusätzliche Bläser und Drums sowie eine E-Gitarre nebst E-Bass und eine Keyboard-Sektion.
„Genau wie sich das Genre Film verändert, so richten wir uns nach den Hörgewohnheiten des Publikums“, sagt Intendant Beyer. „Wir sind Dienstleister. So wie früher die Musiker am Hofe. Repertoireentscheidungen fallen deshalb nie auf demokratische Weise – gespielt wird, was auf den Notenständer kommt.“ Selbst wenn, wie 2009 geschehen, RTL darum bittet, Dieter Bohlens größte Hits zu orchestrieren. Was sich für Klassikprofis wie eine Zumutung anhört, ist für viele im Filmorchester der besondere Reiz: heute Studioaufnahme, morgen Empfang beim Bundespräsidenten, übermorgen Plattenproduktion und später Fernsehauftritt. Die Kehrseite der Abwechslung ist der Leistungsdruck. Für die Musik zu einem Fernsehfilm hat das Team nur selten mehr als einen Tag Zeit, bei Kooperationen mit Bands sind die Noten oft erst eine Stunde vor der Aufnahme da. Dennoch wird höchste Qualität verlangt.
In der Musikerlounge hängen Schwarz-Weiß- Porträts sämtlicher Orchestermitglieder an den Wänden. Eine schöne Geste des Hauses, wenngleich sie nicht aufwiegt, dass die Gagen, die das Orchester seinen Musikern zahlen kann, weit unter Tarif liegen. Umso mehr freut es Intendant Beyer, wenn er wenigstens Lob und Anerkennung bekommt: Politiker jeder Couleur werden nicht müde zu betonen, dass sein Filmorchester dem Medienstandort Profil verleiht und weit über die Grenzen des Landes bekannt macht. Und das mit relativ geringem Budget: „Wir gehören zu den billigsten Orchestern Deutschlands“, resümiert Beyer nüchtern. „Nahezu die Hälfte unseres Haushaltes erwirtschaften wir selbst.“
Dennoch wäre natürlich eine bessere Finanzausstattung wünschenswert, etwa für die teure Generalüberholung einiger Instrumente oder auch nur die regelmäßig zu ersetzenden Geigensaiten – hier schlägt ein hochwertiger Satz schon mit rund 100 Euro zu Buche. Kosten, die teilweise von den Musikern selbst übernommen werden. Doch bisher hat man noch für jedes Problem eine Lösung gefunden. „Wir setzen darauf, dass wir ein Unikat sind“, bilanziert einer der Musiker. „Und eine große Familie.“ Auch Klaus-Peter Beyer schwärmt über die tolle Mischung in seinem Ensemble „Die Ältesten stehen kurz vor der Rente, die Jüngsten sind noch nicht mal 25 – und alle lernen voneinander.“ Dabei leuchten die Augen des Intendanten beinahe ebenso hell, wie wenn er über die künftigen Projekte spricht. Im Herbst stehen die traditionellen Ostrock-Klassik-Konzerte an, bei dem das Orchester mit Bands wie den Puhdys, City oder Renft auf Tour geht. Im November wird man in München mit Jon Lord, dem Keyboarder der Hardrock-Legende Deep Purple, spielen. Zuvor begibt man sich noch auf eine zehnteilige „Filmmusikalische Wanderung“ durch traditionsreiche Filmtheater Brandenburgs. Und sobald der Dirigent den Taktstock hebt, ist die Welt für die Ensemblemitglieder in Ordnung. Die wollen nur spielen.
Dieser Text erschien in "Sanssouci", dem Kundenmagazin der MBS (Mittelbrandenburgische Sparkasse)