Die zehn besten Alben des Jahres 2023
Auch für 2023 habe ich wieder meine persönliche Top Ten der besten Alben des Jahres erstellt.
Platz 1: The National – First two pages of Frankenstein
Die Virtuosen des Molls, wie es die ZEIT treffend formulierte, haben mal wieder zugeschlagen. “Don’t make this any harder” sind die ersten Worte der Platte. Matt Berninger scheint sie an sich selbst zu richten, denn in der letzten Zeit war der Sänger der Band, wenn man den Medien Glauben schenken darf, durch eine depressive Episode blockiert. In der Erzählung der Band ist das Album eine Art Triumph über diese widrigen Umstände. Nachdem „I Am Easy To Find“ vor vier Jahren ungewöhnlich orchestral ausfiel, ist der Sound nun wieder reduzierter. The National kehren zum alten Konzept „Kammer-Indie-Rock meets Rhythmusgruppe“ zurück und damit zu dem, was sie am besten können.
Matt Berningers dunkler Bariton taugt nach wie vor perfekt dafür, den eigenen oder von mir aus auch den Weltschmerz zu feiern. Dabei haben The National-Songs auch immer etwas Tröstliches. Die Texte drehen sich vor allem um eine Beziehungsgeschichte, deren Zeichen auf Trennung stehen. Es geht um das Nicht-loslassen-Können und Nicht-bleiben-Wollen, um vergebliches Hoffen und Verlustängste, um die Tiefen des Lebens und scheinbar Belangloses, wie das Ringen um gemeinsame Habseligkeiten. Auf Gaststars wollte The National auch diesmal nicht verzichten, allerdings spielen diese sich nicht mehr in den Vordergrund als nötig. Gleich im ersten Stück stößt Sufjan Stevens dazu. Bei „This Isn’t Helping“ und “Your Mind Is Not Your Friend” ist Phoebe Bridgers im Hintergrund zu hören und Taylor Swift gibt auf „The Alcott“, einem Stück über das Suchen nach einer gemeinsamen Ebene in einer langen Beziehung, den kongenialen gesanglichen Gegenpart. Neben diesem Song mag ich besonders das fröhliche „Tropic Morning News“, an dem Berningers Frau Carin Besser mitschrieb.
Platz 2: The Beaches – Blame My Ex
Eine Trennung mit einem ganzen Album zu verarbeiten – auf diese Idee sind schon andere Künstler und Künstlerinnen gekommen. Aber dass so etwas zur perfekten gute Laune-Platte geraten kann, war mir neu. Jordan Miller und ihren Kolleginnen ist es gelungen. Ob der betreffende Ex-Freund (Brett Emmons, Frontmann von The Glorious Sons) dazu tatsächlich seine Zustimmung gegeben hat oder nur gute Miene zum bösen Spiel machte, sei dahingestellt.
The Beaches nehmen das Chaos an und feiern die Katerstimmung ihrer Frontfrau mit einer Menge Humor und Coolness. Die Hit-Dichte ist erstaunlich. Allen voran der Surfrock-Opener „Blame Brett“. Ein Indie-Kunststück, das in den 90ern ausgereicht hätte, um eine Weltkarriere zu begründen. Danach folgt das rockig-grungige „What Doesn’t Kill You Makes You Paranoid“. Fröhlich und originell kommt „Kismet“ daher, „Shower Beer“ erzeugt nette Bilder im Kopf, das etwas langsamere „If A Tree Falls“ zeigt Verletzlichkeit und „Edge of The Earth“ verfügt über einen Refrain, den man so schnell nicht aus dem Kopf bekommt. Die Texte sind verletzlich, manchmal traurig, oft aber vor allem bissig und lustig. Sie greifen das bekannte Sprichwort „Was dich nicht umbringt, macht dich stärker“ auf ihre eigene Art auf. Alles richtig gemacht, Ladies!
Platz 3: Art School Girlfriend – Soft Landing
Das stelle ich mir als interessanten Haushalt vor: Polly Mackey alias Art School Girlfriend und ihre Lebensgefährtin, die mindestens ebenso geniale Songwriterin Marika Hackman. Während sich Frau Hackman mit ihrem im Januar 2024 erschienen Album „Soft Landing“ berechtigte Hoffnungen auf einen Spitzenplatz in meiner Jahreswertung machen kann, ist das ihrer Freundin in 2023 bereits gelungen.
Art School Girlfriend, das ist melancholischerDream-Pop der Extraklasse. Dramatische Balladen intim und anziehend, voller Nachdenklichkeit und Melancholie. Wie gemacht für die samtig-dunkle Stimme der Waliserin. Wie bei einer Autorin vonelektronischer Musik,die selbst schreibt, aufnimmt und produziert, fehlen aber auch Post-Punk- und Drum’n’Bass-Wendungen nicht. Manchmal begleiten Gitarren, Streich- und Zupfinstrumente die komplexen Synthesizer-Strukturen. Es fällt schwer, auf dieser extrem gut abgestimmten Platte Favoriten zu benennen. Als Anspieltipps empfehle ich dennoch zwei: das langsame und dennoch wuchtige „Too Bright“ (das auch Trentemoller gut zu Gesicht gestanden hätte) und „Heaven hanging low“, das zum Beispiel bei nächtlichen Autofahrten seine ganze Magie entfaltet.
Platz 4: Daughter – Stereo Mind Game
Platz 5: Jonathan Bree – Pre-Code Hollywood
Platz 6: The National – Laugh Track
Platz 7: The New Pornographers – Continue as a guest
Platz 8: Slowdive – Everything is Alive
Platz 9: The Gaslight Anthem – History Books
Platz 10: The Album Leaf – Future Falling