Die Macht der Adjektive
„Wenn du ein Adjektiv triffst, bring es um“, schrieb der große Mark Twain. Voltaire bezeichnete es als den „Feind des Substantivs“ und Sprachpapst Wolf Schneider hält Adjektive sogar für die „am meisten überschätzte Wortgattung“. Unter Bewahrern des guten Stils genießen Adjektive keinen guten Ruf. Dabei ist ihre Aufgabe klar umrissen: Sie dienen dazu, einem Lebewesen, einem Gegenstand oder einer Handlung eine Eigenschaft zuzuschreiben. So weit, so gut. Aber wie sagt Wolf Schneider weiter: „Das Adjektiv ist noch nicht geschaffen, das ein schlappes oder ungenaues Substantiv aus der Klemme zieht“.
Als Werbetexter muss ich an dieser Stelle erst mal tief durchatmen. Um ehrlich zu sein, sind Adjektive meine Lieblingswortart. Aus meiner Sicht sind sie der Farbanstrich, der dem Substantiv erst Leben einhaucht. Ein gutes Adjektiv wirft dem Hauptwort sein Zaumzeug über und lenkt es in die Richtung, die ihm genehm ist. Es verhindert, dass Bildern die Worte fehlen – und umgekehrt. Zudem dienen Adjektive der Unterscheidung („Ich mag das rote Auto, nicht das silberne“) und steuern die Wahrnehmung. Sie bedienen unseren Hang zur Relativierung und lassen sich – ganz kontrolliert – in zwei Schritten steigern. Auch als Nomen machen sie eine gute Figur, denken wir nur an „das Schöne“, „das Tolle“ oder „das Alte“. Und wo wäre eigentlich die gesamte Christenheit heute, hätte sie ihrem Gott nicht ein „lieber“ vorangestellt?
Sind Adjektive also tatsächlich Gift für gute Texte? Bedingt. Denn wie bei jedem Gift kommt es auf die Dosis an. Generell tut es keinem Text gut, wenn zu viele Adjektive in zu großer Nähe zueinander auftreten und Polonaise tanzen. Speziell in Werbetexten ist das Schmücken mit vermeintlichen Schlüsselwörtern wie exklusiv, attraktiv, einzigartig, erstklassig, traumhaft, wegweisend oder innovativ sehr verbreitet. Doch mehr als zwei davon hintereinander sind ermüdend und taugen meist nicht mal als sprachliche Sättigungsbeilage.
Um mit der Anzahl der Adjektive maßhalten zu lernen, ist es eine bewährte Technik, zunächst alle aus dem Text zu löschen und sie an den Stellen, an denen sie wirklich fehlen, wieder einzufügen. So bleiben am Ende nur die besten übrig. Wobei wir übrigens ganz auf Mark Twains Linie liegen. Denn nur wer das oben erwähnte Zitat in Gänze liest, wird verstehen, was der Großmeister des amerikanischen Realismus eigentlich sagte: „Nein, ich meine nicht alle Adjektive, aber töte die meisten – umso wertvoller werden die übrigen sein.“